Ein Wasserrohrbruch oder das Problem mit der Quote

Vorneweg: Das ist meine persönliche Meinung. Andere haben andere Meinungen dazu, ich respektiere das, und wünsche mir im Gegenzug einen respektvollen Umgang miteinander.

Ein Versprechen: Es kommt nur einmal das Wort “Kompetenz” vor, und das ist in diesem Satz. So, das wars auch schon, hat nur kurz gepiekst, schon vorbei. Kommt nicht wieder vor.

Also. Wir kennen das ja. Kaum kommt eine Quotendiskussion auf, schaltet die Hälfte der beteiligten Menschen gleich mal ab. Da sind die einen, sagen hü, da sind die anderen, sagen hott, und dann wird gezofft, ohne Rücksicht auf Verluste, und der Rest hat einfach das ewige Gezanke satt, das mit gegenseitigem Respekt schon lange nichts mehr zu tun hat.

Ich sage jetzt: Ja, natürlich gibt es strukturelle Benachteiligung. Und zwar jede Menge. Nicht nur von Frauen, sondern auch, meist in kleinerer Zahl, aber nicht weniger wichtig, von Menschen mit Migrationshintergrund, Nicht-Weißen, alten Menschen, Behinderten, psychisch Kranken, Vollschlanken, nicht dem normativen Schönheitsideal Entsprechenden, Nicht-Heterosexuellen, Weder-Männer-noch-Frauen, oder oder oder.

So. Und was ist jetzt das eigentliche Problem? Die strukturelle Benachteiligung. Wieso machen wir uns nicht Gedanken, was man an diesem grundsätzlichen Problem verändern kann? Weil es nicht so einfach ist. Weil es kompliziert ist. Weil man da viel Mühe und Arbeit reinstecken müsste, und es immer noch eine ganze Zeit dauern würde, bis sich etwas verändert.

Wie viel einfacher ist es, da nach einer Quote zu verlangen. Natürlich, vielfach mit schlechtem Gewissen, weil es wäre ja nur ein (schlechtes) Instrument, aber es ginge halt nicht anders. Ich werde jetzt mal polemisch: Dann sitzt also der Quoten-Behinderte abgeschoben in einem Büro einer Firma, aber ist er deshalb vollwertig in die Gesellschaft integriert? Oder ist es nur eine leere Selbstversicherung, eine halbgare Beschönigung, man hat doch die Quote erfüllt, es wäre doch alles in Ordnung so? Müsste man da nicht viel tiefer ansetzen? Zum Beispiel dafür sorgen, dass behinderte Kinder schonmal nicht auf eine extra Schule abgeschoben werden, sondern alle zusammen lernen, mit der ganzen Diversität von Menschen, die es so gibt? Hat es wirklich eine so wahnsinnige Auswirkung auf den großen Rest der Gesellschaft, wenn in irgendeinem winzigen abgehobenen Vorstand einer Firma mal nicht nur Männer sitzen?

Achtung, jetzt kommt auch noch eine Metapher, wie immer mit Vorsicht zu genießen:

Da ist ein Wasserrohr. Es hat unzählige Löcher, schon halb durchgerostet. Leckt vorne und hinten. Eigentlich müsste man das ganze Rohr rausnehmen, vorher das Wasser abdrehen, die Wand aufreißen, oder besser das ganze Haus mit weg, die Straße wegbaggern, und das ganze verdammte System neu bauen. Das ist aber ziemlich viel Aufwand. Die Quote hört sich für mich an wie: “Pappen wir doch mal auf das Loch am Rohr ein Stück Klebeband. Und auf das andere Loch da auch. Und das da.”

Das ist für mich das Problem mit der Quote.

Und wenn wir die ganze Zeit und Mühe und Emotion und Eifer, den wir jedesmal bei irgendeiner Wahl alleine auf Twitter und diversen Blogs in das Gezanke um die Quote investieren, stattdessen in ernsthafte Diskussionen gesteckt hätten, wie man das Problem an der Wurzel packt – die Zeit wäre auf jeden Fall sinnvoller genutzt gewesen. Vielleicht wären uns da schon ein paar gute Maßnahmen eingefallen, die ganz sicher mühsamer als eine Quotenforderung wären – aber dafür nicht nur Kosmetik sind, die das Problem dahinter munter weiterbrodeln lässt.

Also ich will kein Klebeband. Ich will ein neues Rohr.

 

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6 Responses to Ein Wasserrohrbruch oder das Problem mit der Quote

  1. flexi says:

    Danke. Genau das ist das Problem mit der Quote.

  2. xgrinsekatzex says:

    thx! was ich noch dazu anmerken möchte: es fühlt sich noch dazu auch nicht gerade toll an, wenn man nicht sicher weiß, ob man einen Posten/ job bekommen hat, weil man geeignet ist oder nur wegen ner Quotengeschichte. und am ende die umstehenden wissen, dass es wegen der Quote ist. das schafft meist auch Unmut bei den beteiligten.

  3. Die Line says:

    Und weil mir jetzt gleich wieder “Revolution!”, “Utopie!”, “Unrealistisch!” in den Mund gelegt wird (ich habe doch gesagt, die Metapher ist mit Vorsicht zu genießen): Nein, es geht eben nicht um Revolution.

    Es geht darum, dass viel wertvolle Zeit verschwendet wird, um über eine oberflächliche Maßnahme zu zanken und an Symptomen herumzudoktern, ohne die eigentliche Ursache zu berücksichtigen und diese letztendlich in vielen, kleinen, mühsamen Schritten anzugehen und konkrete Maßnahmen zu erarbeiten. Sorry, aber das hat mit Revolution gar nichts zu tun.

  4. Die Line says:

    Haha das ist einfach das beste +1 aller Zeiten ^^

  5. Die Line says:

    Weil’s so schön dazupasst, und ein Beispiel dafür ist, was ich mit “das Problem an der Wurzel packen” meine, hier noch der letzte Absatz aus einem Artikel aus der Süddeutschen, wo es um die verordnete Frauenquote der EU-Kommission geht:

    “Wichtiger als eine Quote in Aufsichtsräten und sogar wichtiger als eine in Vorständen sind daher: Karrieren, die sich mit Familie und Kindern vereinbaren lassen. Flexible Arbeitszeiten, bei denen nicht nur der Arbeitnehmer flexibel ist, sondern auch der Arbeitgeber. Eine Firmenkultur, bei der Dauerpräsenz kein Qualitätskriterium ist. Ausreichende, bezahlbare Krippenplätze, Ganztagskindergärten und -schulen. Nicht zuletzt auch Männer, die sich an Haushalt und Erziehung beteiligen – und Frauen, die das von ihren Partnern einfordern.” http://www.sueddeutsche.de/karriere/eu-kommission-beschliesst-frauenquote-frauen-bekommen-ein-baby-maenner-ein-eckbuero-1.1522740

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